Fräulein Else
Autor : Arthur
Schnitzler wurde 1862 in Wien als Sohn eines Prof. der Medizin geboren. Er
wurde Arzt. Doch entschied er sich für die Literatur und praktizierte die
Literatur als Seelenwissenschaft. Sein Spezialgebiet lag in der Erforschung und
Darstellung des Zusammenhangs zwischen Krankheit und Gesellschaft, der
Gesellschaft Alt-Österreichs. Mit Sigmund Freud, dem Begründer der
Psychoanalyse, verband ihn eine Seelenverwandschaft, obwohl es erst sehr spät
zu einem intensiveren Kontakt zwischen den beiden kam. Er war Mittelpunkt des
Jung-Wiener Dichterkreises. 1931 ist er in Wien gestorben. Fräulein
Else Gattung
: Novelle Inhalt
: Fräulein Else, die Tochter eines Wiener Advokaten verbringt
mit wohlhabenden Verwandten ihre Ferien in den Dolomiten. Dort
erhält sie ein Telegramm von ihrer Mutter. Ihr Vater, der seit Jahren immer
wieder in finanziellen Schwierigkeiten steckt, hat Geld unterschlagen und steht
vor dem Bankrott. Da die Verwandten ihm schon oft geholfen haben, bittet die
Mutter nun Else um Hilfe. Sie soll von einem ebenfalls in San Martino weilenden
Geschäftsfreund ihres Vaters das Geld leihen. Als
sie sich überwindet Herrn von Dorsday, um das Geld zu bitten, stellt dieser
eine Bedingung an sie. Er möchte sie eine Viertelstunde nackt sehen. Entsetzt
und angewidert von diesem Wunsch, überlegt sie einen Ausweg. Unter dem Druck
eines zweiten Telegramms der Mutter entschließt Else auf die Forderung Dorsdays
einzugehen und irrt nur mit einem schwarzen Mantel bekleidet im Hotel umher, um
ihn zu suchen. Sie erleidet einen Nervenzusammenbruch und wird auf ihr Zimmer
gebracht. Dort gelingt es ihr, eine von ihr vorbereitete Überdosis an
Schlafmittel einzunehmen. Form
und Stil : Dialog und innerer Monolog, d.h. Wiedergabe
von unausgesprochenen Gedanken, in direkter Ich-Form, Bewußtseinsstrom-Technik
(Joyce : Ulysses). Form
der assoziativen Reihe ; kurze Sätze, Halbgedanken, Selbstgespräch ohne alle
Zwischenglieder. Interpretationsvorschlag
: Die Gesellschaft der damaligen Zeit (nicht das Armeleutemilieu
des Naturalismus sondern das der 'oberen Zehntausend') wird aus der
Sicht der Protagonistin Else dargestellt . Von der damals aufkommenden
Psychoanalyse Sigmund Freuds beeinflußt, leuchtet Schnitzler in die tiefsten,
unterbewußten Abgründe des Seelischen. Else ist ein sehr schönes, gescheites
Mädel, sie ist sehr beherrscht und leidenschaftlich und hat eine starke Bindung
zu seinem Vater. Bewußt flüchtet sie in die Einsamkeit, und es ist unmöglich,
diese Einsamkeit zu überwinden. Schnitzler
zeichnet vornehmlich Vertreter der müden Dekadenz, die nichts mehr ernst nehmen
und das Leben als bloßes Spiel verstehen, wie zum Beispiel der Herr von
Dorsday. Dieser hält den Vertrag mit Else korrekt, aber Else will sich nicht
verkaufen. Ihre
Umgebung ist ungnädig und hochgemut. Die Gesellschaft ist heuchlerisch und
käuflich. Ihre Tante fürchtet nur einen Skandal.